Wein aus Wiecheln - Besuch bei Hannes Lecht
Solaris, Rinot und Sauvignon Soyhières tauchen im Leben von Hannes Lecht (geb. Meyer) ebenso häufig auf wie Matheklausuren, Klassenkonferenzen und Elternabende.
Seit 8 Jahren dreht sich im Leben des Altmarienauers viel um Rebsorten, Weinanbau und das Keltern. Seit 2015 baut er in Wiecheln, das zur Gemeinde Thomasburg gehört, Wein an. Hauptberuflich ist Hannes Lehrer an der Haupt- und Realschule Hitzacker für die Fächer Mathematik und Biologie. Er wohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf dem Gelände des Weinhofs, natürlich mit Blick auf die Reben.
Gut 6.500 Rebstöcke wachsen heute auf dem Feld mit Hanglage, um die er und sein Vater Hans-Jürgen sich kümmern. Doch wenn Erntezeit ist oder Neupflanzungen anstehen, kommen noch zahlreiche helfende Hände aus dem Familien- und Freundeskreis dazu. Egal, ob es um das Setzen der Rebstöcke, das Anbinden der wachsenden Rebe, das „Wipfeln“, also das Kappen der Triebe geht, oder natürlich die Lese, hier wird alles von Hand gemacht. Das Gelände des Weinhofs Wiecheln umfasst neben dem Wohnhaus und den Ackerflächen auch noch mehrere Ferienwohnungen, um deren Vermietung sich Hannes‘ Bruder Mattis kümmert. Insgesamt ist dieser schöne Flecken Erde mit den alten Hofgebäuden und den urigen Eichen seit 1972 im Besitz der Familie Meyer.
Wie kommt man dazu, im östlichen Zipfel des Landkreis Lüneburg Weinbauer zu werden? Es ist ein Klassiker, doch wirklich wahr: In weinseliger Stimmung kamen Hannes und sein Freund Hauke Thies, ebenfalls Altmarienauer, die Idee, „man müsse Wein einfach selber machen“. Und so pflanzten die beiden 2013 die ersten Rebstöcke. Was als einfaches Experiment begann, wuchs heran. 2015 beantragte Hannes die Rebrechte, also die formale Erlaubnis Wein anzubauen. Damit einher ging auch die Gründung einer Weinbau-Behörde in Niedersachsen, die es zuvor nicht gab, weil es keine Weinbauern gab. Hilfreich war, dass der damalige niedersächsische Landwirtschaftsminister ein Befürworter dieser Neuerung war, denn durch die Veränderung der klimatischen Gegebenheiten wird Weinbau auch in unseren Breitengraden möglich. So kann die Landwirtschaft im Norden sich neu positionieren. Hannes und auch Vater haben mehrere Besuche und Aufenthalte auf anderen Weingütern hinter sich. Austausch mit erfahrenen Winzern ist, wie in anderen Branchen auch, nicht nur sinnvoll für den eigenen Lernprozess, sondern hilft auch dabei, sich ein professionelles Netzwerkwerk aufzubauen.
Damit der Weinbau in Wiecheln Früchte trägt, bedarf es der Auswahl besonders geeigneter Sorten, die mit dem norddeutschen Sommer zurechtkommen. Ohnehin sind Rebstöcke Trockenspezialisten, die sich auch mit wenig Niederschlag zufriedengeben. Möglich ist dies, weil die Wurzeln eines ausgewachsenen Rebstocks bis zu 30 Meter tief in die Erde reichen. Man kann sich das tiefe und weitverzweigte Wurzelwerk eines Stocks am besten vorstellen, wenn man auf eine der Eichen blickt, die den Hof umgeben. Das, was man von der Eiche oberhalb der Oberfläche sieht, entspricht dem, was unter dem Rebstock in der Erde verborgen ist. Die meisten Pflanzen kommen übrigens von einem Rebzüchter aus der Schweiz, der sich auf den Bioanbau und die Zucht von Sorten spezialisiert hat, die sich besonders für nördliche Gefilde eignen.
Eine Sorte, die Hannes von Beginn an anbaute, ist Solaris. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie früher ausreift als andere Sorten, und ihr somit auch eine kürzere Vegetationszeit genügt. Außerdem zählt Solaris zu den sog. „PIWIS“, also den modernen, besonders pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Daneben bleiben noch genügend andere Herausforderungen, vor denen der Jungwinzer steht: Besondere Wetterlagen, wie z.B. 2019 mit Frost im fortgeschrittenen Frühling, zählen ebenso dazu wie die Dürre im Jahr 2018, die die Böden nachhaltig beeinflusst, da auch Wasserspeicher in tieferen Bodenschichten dann schlicht leer sind. Und dann gibt es auch noch Wespen und Waschbären, die Hannes auf Trab halten.
Neben den eingangs genannten Weißweinen bietet der Weinhof Wiecheln außerdem zwei rote Weine an, Cabernet Jura und Cabernet Noir. Letztere machen jetzt noch den kleineren Teil der Rebstöcke aus, aber Hannes hat einen Plan. 2020 konnte Hannes sich erstmals über eine nennenswerte Menge an Wein freuen, die er im Herbst lesen konnte. Damals waren es 360 Liter, die nach dem Keltern in den Fässern reiften und abgefüllt werden konnten. Hannes verwendet bei der Abfüllung Glasverschlüsse, die nachhaltiger sind als solche aus Kork. In diesem Jahr hofft er seinen Ertrag zu verdoppeln, so dass er auf rund 800 Liter kommen kann. Rebstöcke brauchen ein wenig, bis sie vollen Ertrag bringen. Die ältesten sind nun im vierten Jahr, so dass die Hoffnung auf mehr Wein berechtigt ist, aber da hat natürlich das Wetter in diesem Jahr ein Wörtchen mitzureden.
Sein Ziel ist, eines Tages auf 6500 l pro Jahr zu kommen. Dazu möchte Hannes verschiedene Produktsparten ausbauen und die Anbaufläche erweitern. Ihm gefallen an seinem zweiten Standbein als Weinbauer gleich mehrere Dinge: „Ich bin unheimlich gerne Lehrer, aber die Arbeit hier ist etwas Besonderes. Im eigenen Betrieb von der Pflanzung der ersten Rebstöcke über die Pflege, Ernte und Vermarktung federführend zu sein, ist wirklich toll. Selbst die vielen rechtlichen Aspekte, die es rund um die Gründung der Behörde für Weinbau und die Verbandsarbeit gibt, machen mir Freude, weil sie mit unserem Weinhof direkt zu tun haben. Es macht sehr viel Spaß zu sehen, wie sich alles entwickelt!“. Das Marketing ist neben der eigentlichen Herstellung des Weins natürlich ein wichtiger Punkt. Da Hannes hier in Norddeutschland eine Nische bedient, ist er gefragt. So gab es gleich mehrfach Berichte in der regionalen und überregionalen Presse. Wer bewegte Bilder sehen möchte, wird u.a. in einem Beitrag des NDR Fernsehens fündig. Der Sender besuchte Hannes und seine Erntehelfer*innen bei der Lese im Herbst letzten Jahres.
Wir wünschen Hannes eine glückliche Hand für die Ernte 2021 und alle folgenden und freuen uns auf eine Weinprobe in Wiecheln.